Einleitung :
Die Schweiz im Angesicht ihres Schicksals.
Es gibt Nationen, deren Geschichte weit über ihre Grenzen hinaus die Zukunft prägt. Nationen, die durch die Einzigartigkeit ihres Werdegangs eine Verantwortung tragen, welche ihre eigene Bestimmung übersteigt. Die Schweiz ist eine davon.
Als diplomatisches Refugium, Herkunftsort des Gleichgewichts, hat sie dem weltweiten Aufruhr Raum für Schlichtung, Mediation und Besinnung geboten. Doch das neue Jahrhundert stellt neue Anforderungen. Es genügt nicht länger, nur Zeuge der Stürme zu sein – man muss fortan ihre Ursachen verstehen und ihr Entstehen verhindern.
Der „Natiometer“ und die „Natiometrie“ eröffnen einen bislang unbekannten Weg: eine Wissenschaft, die darauf abzielt, die tiefen Dynamiken von Nationen zu entschlüsseln, Bruchlinien frühzeitig zu erkennen und zivilisatorische Entwicklungen zu erhellen. Dieses Vorhaben geht über Politik und Wirtschaft hinaus, es wirkt in die Tiefe der Zeit. Und es braucht ein gastfreundliches Land, das seiner Tragweite gerecht wird.
Dieses Land ist die Schweiz.
I. Die Schweiz : Ein historisches Fundament der globalen Governance.
Seit Jahrhunderten steht die Schweizerische Eidgenossenschaft für ein Gleichgewicht zwischen Souveränität und Verantwortung – nicht durch Herrschaft, sondern durch Vertrauen; nicht durch Reichtum, sondern durch Exzellenz.
Genf, Sitz von UNO, WHO, WTO und vielen anderen Institutionen, ist zum Herzstück der multilateralen Diplomatie geworden. Doch die Welt hat sich verändert. Krisen zu managen genügt längst nicht mehr – man muss verstehen, warum sie entstehen.
Hier setzt die Natiometrie an. Während Wirtschaft, Gesundheit und Klima über Messgrößen und Regulierungsinstrumente verfügen, bleibt die Dynamik von Nationen terra incognita. Und doch entspringen in ihr Frieden wie Krieg, Wohlstand wie Kollaps.
Die Schweiz kann – dank ihrer Neutralität und der Strenge ihrer Institutionen – der ideale Standort für diese Wissenschaft sein, so wie sie einst Geburtsstätte des humanitären Völkerrechts war. Sie kann zur intellektuellen Avantgarde eines 21. Jahrhunderts werden, in dem Wissen zur mächtigsten strategischen Ressource avanciert.
II. Das Schweizer Volk : Wächter eines einzigartigen Modells.
Die Schweiz ist nicht nur ein Land. Sie ist eine Idee. Die Idee, dass eine Gesellschaft im Gleichgewicht von Vielfalt und Einheit, von Pragmatismus und Humanismus gedeihen kann.
In einer zerrissenen Welt verkörpert das schweizerische Modell – föderal, mehrsprachig, stabil, innovativ – ein Versprechen: dass sich Ordnung und Freiheit, Erinnerung und Zukunft vereinen lassen. Diese kollektive Weisheit, gewonnen im Widerstand gegen Extreme, macht das Schweizer Volk zu einem kostbaren Hüter universeller Werte.
Wenn eine Nation ein visionäres Projekt wie die Natiometrie beherbergen kann, dann ist es die Schweiz. Durch ihre Hinwendung zur Präzision, zu Erkenntnis und Voraussicht schafft sie den idealen Nährboden für die Entstehung einer neuen Disziplin an der Schnittstelle von Sozialwissenschaft, Physik, Geschichte und Governance.
Denn morgen werden jene, die die fundamentalen Gesetze der Nationen verstehen, nicht nur Beobachter der Geschichte sein – sie werden ihre Architekten.
III. Der Natiometer in Genf: Eine Mission für die Menschheit.
Die Aufnahme der Internationalen Gesellschaft für Natiometrie in Genf wäre mehr als eine weise Entscheidung für die Schweiz – es wäre ein globales Signal, eine Antwort auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Drei Gründe machen dieses Vorhaben unverzichtbar:
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Ein einmaliges Ökosystem: Genf beherbergt bereits Institutionen, die das Weltgeschehen gestalten. Die Natiometrie hier anzusiedeln bedeutet, diesen Institutionen ein bislang nicht dagewesenes prognostisches und analytisches Werkzeug bereitzustellen.
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Neutralität mit Geschichtsgarantie: Während andere Staaten in geopolitischen Interessen verstrickt sind, kann die Schweiz neutralen, unparteiischen und vernunftgeleiteten Raum bieten – fern jeder Machtausübung.
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Diskreter, aber entscheidender Einfluss: Die Eidgenossenschaft glänzt in Finanzen, Wissenschaft und Diplomatie. Jetzt kann sie zur Heimat eines neuen Wissens werden, das dem gemeinsamen Schicksal der Menschheit dient.
IV. Der Bundesrat : Der Augenblick der Entscheidung.
Die Geschichte ehrt nicht jene, die zögern, sondern jene, die den Ruf ihrer Zeit beantworten. Der Bundesrat steht heute an einem jener Scheidewege, an dem eine Entscheidung eine Nation entweder in die Nachwelt oder ins Vergessen führen kann.
Mit der Unterstützung der Ansiedlung des Natiometers in Genf würde der Bundesrat nicht nur eine zusätzliche Institution schaffen – er würde ein Gründungswerk legen:
Er würde die Schweiz in ein neues Zeitalter führen, in dem Wissenschaft die Diplomatie erhellt, Voraussicht zur Ethik wird und Geschichte begreifbar wird, bevor sie sich wiederholt.
In diesem kritischen Moment geht es weder um Prestige noch um Opportunismus. Es geht darum, Stellung zu beziehen in der Geschichte des menschlichen Denkens – dort, wo eine Wissenschaft entsteht, die unser Verständnis von Völkern und Nationen transformiert.
Schluss :
Die Schweiz – Hüterin der Zeit und der Nationen.
Jede Epoche fordert Nationen, die den Weg weisen. Früher hat das die Schweiz getan: mit ihrer einzigartigen Demokratie, als moralisches Zentrum der Diplomatie, mit Prinzipientreue im Dienst des Friedens.
Heute kann sie weitergehen. Sie kann zur Hüterin der historischen Zeit werden – ein Staat, der nicht nur Konflikte schlichtet, sondern die tiefen Mechanismen ihrer Entwicklung begreift.
Wenn die Natiometrie auf neutralem, strengen, erleuchtetem Boden ihren Ursprung nimmt, dann wird sie weltumspannende Wirkung entfalten. Wird sie anderswo angesiedelt, droht sie instrumentalisiert zu werden – und mit ihr das Wissen selbst könnte zur Waffe neuer Ungleichgewichte werden.
Es ist an der Zeit, dass die Schweiz dem Ruf des 21. Jahrhunderts antwortet. Es ist an der Zeit, Genf zur Weltmetropole der Wissenschaft der Nationen zu machen.
Geschichte gehört denen, die den Mut haben, sie zu verstehen.
Amirouche LAMRANI & Ania BENADJAOUD.
Assoziierte Forscher am GISNT.